Advents-Gedanken zum Schäfer-Leben

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Advents-Gedanken zum Schäfer-Leben

7. Dezember 2025 Campo-News 0

Stadt Murcia und außerhalb von La Zarza, Jumilla, Spanien, im Norden Murcias

Heute, 07.12.2025: Advents-Gedanken zum Schäfer-Leben

Der zweite Advent. Gestern habe ich mir im Baumarkt einen Weihnachtsstern mitgenommen. Aus der Innenstadts-Bepflanzung von Murcia weiß ich, dass die sich hier problemlos auch draußen wohl fühlen. Allerdings vermute ich, dass die zarten Blätter der Pflanze nur in einem Blumenbeet innerhalb geschützter Straßenzüge eine Chance haben. In dem hier auf meinem Campo häufig blasenden Wind würden sie ruckzuck zerfetzt. Also habe ich jetzt ein bisschen Weihnachtsdeko in meinem Wohnwagen stehen. Soviel Festlichkeit muss sein. 😉

Den gestrigen Nikolaustag habe ich genutzt, mich im Umgang mit Spaten und Pickel zu üben. Als ich während der ersten Tage meine Badezimmerschränkchen und allerlei andere Dinge zusammengeschraubt habe, juckelte ich meine 4kW-Powerstation auf 20% herunter. Gemäß meiner Erfahrungen vom Sommeraufenthalt kein Problem, das kriegt die spanische Sonne schnell wieder reingeholt. Dachte ich mir. Doch während der ganzen Woche bekam die Sonne hinter den vorbeiziehenden Wolken mein einzelnes Solarpanel kaum zu sehen. Tagsüber brachte ich die Ladung gerade mal so auf 25% hoch, nachts sog der Kühlschrank dieses bisschen Energie gerade wieder weg. Da auch noch einen PC mit externem Bildschirm dran hängen, erschien keine gute Idee. Was lag also näher, als einen reinen Lade-Tag einzulegen und mich mal mit dem Aufbau von Muskulatur zu beschäftigen, statt das Hinterteil vor der Röhre breit zu sitzen.

Den Maulwurfarbeiten widme ich die nächsten Tage mal einen eigenen Newsletter. Eigentlich war das Aufbereiten der gestern zwischendurch gemachten Aufnahmen mein geplantes Abendprogramm. Doch als ich mich endlich mit einem eiskalten Feierabendbier vor meinem Wohnwagen in die Abendsonne setzte, fiel mein Blick auf das inzwischen im Schatten liegende Solarpanel. Ich wuchtete meinen Körper aus dem gemütlichen Sessel hoch und ging einen Blick aufs Display der Powerstation werfen. Ja, ich weiß, das Teil hat auch einen WLAN-Anschluss und ich könnte den Füllstand auch sitzend abrufen. Laut Bedienungsanleitung geht das, ich habe nur noch keine genaue Ahnung, wie. Irgendwann an einem langen Winterabend beschäftige ich mich vielleicht auch einmal mit solch nachrangig wichtigen Dingen. Bis dahin muss ich eben laufen.

Gerade mal 26%, so sagte mir die Anzeige auf der großen Batterie. Obwohl außer dem Kühlschrank und meiner Zahnbürste kein Verbraucher dran hängend, kaum mehr Strom erzeugt, als in der gleichen Zeit verbraucht. Wie soll ich so denn spätestens am Montag wieder mindestens dreiviertel des Tages vor dem Computer sitzen? Auf die Bordbatterie des Wohnwagens ausweichen geht auch nicht, die schwächelt ohnehin schon extrem. Letzte Nacht hing nur meine Uhr und mein Handy zum Laden dran, doch um vier Uhr morgens riss mich das Alarm-Piepen des Stromwächters aus dem Schlaf. Der schaltete das komplette System auch schon ab, noch bevor ich selbst den Schalter erreicht hatte. Bleibt also nur noch meine kleine Powerstation, die ich in Erwartung von Stromversorgungs-Lücken zusätzlich für diese Fahrt mitgebracht habe. Doch mit dem einen Kilowatt an Leistung kann ich damit keine großen Sprünge machen. Und mein den ganzen Tag dran hängendes Solar-Faltpanel hat die kleine Batterie auch gerade mal auf 56% hoch gebracht. Mir fehlt es an Sonne.

Oder an der Möglichkeit, aus dem bisschen Sonne mehr rauszuholen. Ich brauche für meine große Station mehr Solarfläche. Muss ich mich nächste Woche drum kümmern, dachte ich mir. Dann ging mir die Frage durch den Kopf „nächste Woche“? Mit einem sicherlich kilometerweit zu hörenden Seufzer stellte ich mein Bier weg und zückte mein Zweithandy. Darauf habe ich mir die App der hiesigen Baumarktkette Leroy Merlin installiert. In Murcia betreibt die Kette gleich zwei Läden, einen neben dem großen Einkaufszentrum und einen im Süden der Stadt. Die Süd-Filiale ist zwar von mir aus 12 Kilometer weiter weg, aber dafür direkt an der Autobahn gelegen. Gefühlt irgendwie leichter zu erreichen, als hinter den hundert Kreiseln im Gewimmel der ganzen Weihnachtseinkäufer. Geöffnet bis 21:00 Uhr laut Angabe in der App, bis 22:00 Uhr laut Angabe auf Google. Eins von beidem wird schon stimmen. Selbst neun Uhr langt mir. Also gebe ich mir einen Ruck, schwinge mich ins Auto und brumme die dreiviertel Stunde bis nach Murcia.

Ich hätte schwören können, dass ich exakt das gleiche Panel nochmal gekauft habe, das ich schon besaß. Doch als ich mit der sympathischen Verkäuferin im Baumarkt trilingual herum kauderwelschte, wurde sie ständig unterbrochen. Ich wollte nicht tauschen mit einem Supermarkt-Mitarbeiter in der Vorweihnachtszeit. Hatte ich wirklich gemütlich leere Gänge in einem romantisch-stillen Markt erwartet, weil alle zuhause das Festtagsmenü genießen? Weit gefehlt. Der pure Stress in dem Laden.  Jeder braucht noch seine passende Lichterkette und will sich ein neues Waschbecken unter den Weihnachtsbaum legen, scheint es. Irgendwann lief jedenfalls der Zettel mit meiner Bestellung aus dem Drucker, die ich dann zusammen mit meinem Weihnachtsstern, ein bisschen Blumenerde und einer elektrischen Fliegenklatsche bezahlt habe. Dann wanderte ich nach draußen und setzte mein Auto um zur Warenausgabe.

Ein junger Mann kam mit dem elektrischen Hubwagen, auf dem er gleich die ganze Palette der Solarpanele brachte. Er schaute auf mein Auto und sagte auf spanisch einen Satz, den ich vermutlich sogar ohne vorausgegangene Sprachkurse verstanden hätte: „sehr schönes Auto, aber das passt nicht“. Lachend schüttelte ich den Kopf und antwortete auf deutsch „doch, doch, das hat beim letzten Mal auch gepasst, muss nur schräg reingelegt werden“. Dazu machte ich die erklärende Handbewegung. Meine Worte hat er vermutlich nicht verstanden, wechselte aber direkt ins Englische und wiederholte: „nein, das passt nicht“.

Er sollte Recht behalten. Schlichtweg, weil ich dieses Mal nicht nochmal das 440W-Canadian-Modul vom ersten Einkauf bekommen habe, sondern das fast einen halben Meter längere 625W-Modul von Tier. Während ich dachte, das Modul sei einfach nur teurer geworden, war es eher so, dass es billiger geworden ist, nur sich mein eigentlich gewolltes gar nicht auf Lager befand. Daher für etwas mehr Geld das deutlich größere Modell. Leistungsmäßig größer und halb eben auch in Sachen Länge. Die Breite scheint bei den Modulen genormt zu sein.

Der nette Herr aus der Warenausgabe erklärte mir, dass sein Traumwagen ein Ford F-150 wäre, er ihn sich nur leider nicht leisten kann. Mit seiner somit ausgedrückten Begeisterung für Pickups half er mir dann hoch motiviert, meinen überdimensionierten Einkauf zu verladen. Ohne seine Hilfe hätte ich das niemals hinbekommen. Völlig erschöpft nach dem langen Tag des Buddelns und nun dieses Verladeerlebnisses schaute ich mich anschließend um, was es denn so neben dem Baumarkt an Nahrungsversorgung im Angebot gibt. Eine Pizzeria, einen KFC und einen McDonalds. Und einen großen Supermarkt. Aber Einkaufen zum Selbstmachen wollte ich dann nun doch nicht mehr. Also bin ich beim großen M eingekehrt und habe mir den größten Teil der am Tag verbrauchten Kalorien direkt wieder auf die Hüften gefuttert.

Wieder auf dem Campo angekommen, habe ich es gerade so noch geschafft, mein Auto auszuladen, dann benetzte ich meine Zahnbürste kurz mit Wasser, bevor ich wie ein gefällter Baum ins Bett gefallen bin. Mit letzter Kraft tippte ich auf WhatsApp noch die Frage an meinen Bekannten, für wieviel Uhr wir uns denn am Sonntagmorgen verabredet hatten. Immerhin musste ich mir den Wecker stellen, um den Staub des Tages von mir zu waschen, wozu ich am Abend definitiv nicht mehr in der Lage war. Seine Antwort nahm ich mit gemischten Gefühlen auf, denn er musste krankheitsbedingt unser Treffen absagen. Einerseits sehr schade, denn ich hatte mich auf ein bisschen Plaudern mit ihm gefreut. Und dass es ihm gesundheitlich so schlecht geht, dass er sogar seinen Aufenthalt in Spanien abbrechen muss, klang absolut nicht gut. Andererseits muss ich jedoch auch zugeben, dass ich so erschlagen wie ich war nicht wirklich böse drum war, mir für den Sonntagmorgen keinen Wecker stellen zu müssen. Vielleicht schaffe ich es ja, so lange in Spanien zu bleiben, bis er das nächste Mal in sein Ferienhaus kommt, dachte ich so bei mir… und fiel in einen regelrecht komatösen Tiefschlaf.

Den Sonntag heute bin ich dann etwas gemütlicher angegangen. Endlich lässt der Wind nach und vor allem: die Sonne strahlt vom nahezu wolkenlosen Himmel. Ich recherchierte ein bisschen zum Thema Parallel- oder Reihenschaltung unterschiedlicher Module und kam zu dem Schluss, dass es deutlich besser seit dürfte, das zweite Modul an den zweiten Eingang der Powerstation zu hängen, und somit das Leistungsumrechnen der Elektronik in der Maschine zu überlassen. Auch wenn das heißt, dass ich mir noch ein zweites Kabel bestellen muss. Im Internet fertig konfektioniert deutlich günstiger zu haben, als im Baumarkt. Nur muss ich darauf dann eben wieder ein paar Tage warten. Mit der vielen Sonne heute jedoch kein Problem, denn da holt auch mein vorhandenes Panel genug Energie raus. Dem Arbeiten am PC steht also nichts mehr im Wege.

Nach Frühstück und Entstauben meiner Haare habe ich das neue Panel zu seinem zukünftigen Platz geschleppt, denn dieses Teil ist definitiv zu groß und zu schwer, als dass ich es dauerhaft mobil einsetzen könnte. Während ich danach keuchend im Sonnenschein stand, höre ich hinter mir laute Rufe und einiges an Glockengeläut. Irgendwie sind hier jetzt quasi täglich Ziegenherden unterwegs, scheint es mir. Oder Schafe? Naja, das Gleiche mit mehr Fell, oder? Doch dieses Mal klingt das so nah. Und tatsächlich, am Abhang mir gegenüber wogt eine ganze Herde nach unten auf den Weg. Ein paar der Tiere entwickeln dabei so viel Schwung, dass sie auf meiner Seite gerade den Hügel wieder hoch rennen. Fünf Ziegen stehen so unvermittelt nur ein paar Meter von mir entfernt, wenn auch eine Rampe tiefer. Der Schäfer ruft etwas in die Richtung der Fünf, dann stürzen sie sich auch auf meinem Grundstück den Hang hinunter. Mir als Zweibeiner wäre das viel zu steil, aber diese Tiere scheinen da Erfahrung mit zu haben.

Ich winke dem Schäfer zu, der mitten zwischen seiner Herde steht, die gerade seelenruhig über mein Campo läuft. Von meinem Besuch bei der Stadtverwaltung Jumilla weiß ich, dass der Weg an dem Grundstück vorbei als offizieller Viehtrieb ausgewiesen ist. Weder die Ziegen noch der Hirte nehmen es so genau mit den Grundstücksgrenzen. Was auch immer irgendwann hier mal angebaut werden sollte, muss also von vorneherein robust genug sein, dass ab und zu mal eine Ziege dran knabbert. Spontan muss ich schmunzeln, während ich mir vorstelle, auf dem Grundstück wirklich meinen Plan eines Bildungscamps umzusetzen. Vorm inneren Auge sehe ich morgens einen Besucher aus seinem Zelt krabbeln und Aug in Aug dem furchteinflößenden Gehörn einer Ziege gegenüberzustehen.

Aber von solchen Umsetzungen bin ich ja noch weit entfernt. Ist kein Projekt, das ich alleine zu stemmen in der Lage wäre. Und von Mitstreitern und auch Geldgebern für solch ein Vorhaben ist weit und breit noch nichts zu sehen. Also ganz langsam.

Ein anderer Gedanke geht mir jedoch beim Anblick des Mannes da unten zwischen seinen Tieren auch spontan durch den Kopf. Wie oft habe ich schon die Frage gestellt bekommen, ob es mir auf dem Campo nicht ab und zu einsam wird. Meistens packe ich in meine Antwort auf diese Frage eine Spur Sarkasmus, indem ich behaupte, „ich habe gar nicht genug Zeit, um sowas zu merken“.

Doch tatsächlich ist es nicht nur meine konstant etwas zu hoch angesetzte Auslastung, durch die bei mir gar kein Gefühl der Einsamkeit aufkommt. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem ich nicht in einer oder zwei Telefonkonferenzen stecke. Das Berufsfeld der Buchhaltung bringt ständige Interaktion mit Kunden mit sich. Zusammen mit meiner Geschäftspartnerin beschäftige ich derzeit vier Mitarbeiterinnen, mit allen stehe ich unentwegt im Austausch. Dazu kommt ein großer Freundeskreis, mit dem ich in irgendeiner medialen Form am Kommunizieren bin. Bedeutet also: ja, rein körperlich betrachtet bin ich alleine. Mental bin ich es eigentlich nie. Daher kann ich eigentlich getrost sagen, „nein, wirklich einsam gefühlt habe ich mich bislang noch nie“.

Wie mag das der Ziegenhirte da unten betrachten? In meinen jungen Tagen kannte ich einen Herren, der noch die Berufsausbildung des Schäfers absolviert hatte. Zur Zeit unserer Zusammenarbeit hatte er jedoch bereits in die IT gewechselt. Zwar habe ich damals gerne seinen Berichten über Erlebtes gelauscht, doch auf die Idee, ihm die Frage nach der gefühlten Einsamkeit zu stellen, bin ich nie gekommen.

Ein 24-Stunden-Job, vom geregelten Feierabend und freiem Wochenende keine Rede. Bei Wind und Wetter draußen. Immer mit irgendwelchen Überraschungen rechnen müssen. Und den allergrößten Teil der Zeit mutterseelenallein mit dutzenden zu hütenden Tieren, die mal eine Kolik haben, mal am Kalben sind, mal sich irgendwie verletzen. Begleitet von ein bis zwei Hunden, die als treuer Gefährte zwar Beistand spenden, aber wenn es hart auf hart kommt, selbst Hilfe und Schutz bedürfen. DAS ist einsam!

Wenn mir hier – im Asterix-Jargon gesprochen – der Himmel auf den Kopf fällt, setze ich mich ins Auto und fahre nach Jumilla oder Murcia. Ob Schwimmbad, Restaurant oder Bar, binnen weniger als einer Stunde bin ich mitten unter Menschen. Ein Hirte kann seine Herde nicht auf freiem Feld einfach alleine lassen. Er bleibt „zwang-alleine“. Nein, ich kann mich wirklich nicht über Einsamkeit beklagen.

Wenn ich irgendwann, irgendwann in ferner Zukunft endlich einmal in der Lage bin, mich auf Spanisch zu verständigen, werde ich mir eine Thermoskanne mit Kaffee plus zwei Tassen schnappen und einfach mal zu einem der vorbeiwandernden Schäfer gehen. Schon alleine deren Kenntnis der Natur hier ist mit Sicherheit ein wahrer Quell an Unterhaltungsstoff. Bis es so weit ist, lausche ich jedoch weiterhin nur dem Gebimmel der Glocken um den Hals einzelner Tiere, dem gelegentlichen Bellen der Hütehunde und den mir unverständlichen Rufen des einsamen Tierwächters. Und wer weiß, vielleicht steht tatsächlich irgendwann ganz unvermittelt eine Ziege vor mir.

Jetzt werde ich mir zwei Kerzen anzünden und das Wochenende ausklingen lassen.

Herzliche Adventsgrüße aus dem sonnigen Süden

Euer Clark

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